Zurück am Chimborazo
Riobamba, Ecuador
Am Donnerstagmorgen pünktlich um 8:45 Uhr startete der Bus von Cuenca nach Riobamba. Als Reiseproviant kaufte ich mir am Busterminal in Cuenca noch Bolones - und ich glaube es waren die besten, die ich jemals gegessen habe. Es handelt sich dabei um goldbraun frittierte Kugeln aus Kochbananen, meist gefüllt mit Käse oder Fleisch. Dazu gibt es Sauce und Salat. Der Bus war so gut wie leer, was natürlich ganz angenehm war.
Ankunft in Riobamba - die Stadt des Chimborazo
Nach sechs Stunden kam ich in Riobamba an. Die Stadt liegt stolze 2.750 Meter über dem Meeresspiegel. Der Grund, warum ich hierher wollte, war (wieder einmal) der Chimborazo – mit seinen 6.263 Metern ist er der höchste Berg Ecuadors und der Punkt auf der Erde, der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt und am nächsten an der Sonne ist (wegen der äquatorialen Wölbung).
Mein Plan war es ein paar Wanderungen in der Region zu unternehmen. Tatsächlich werden hier viele Erinnerungen wach - ich war nämlich vor acht Jahren schon einmal hier und habe zwei gescheiterte Versuche hinter mir den Gipfel des Chimborazo zu besteigen. Das erste Mal bekam ich ein schlimme Höhenkrankheit und das zweite Mal war die Schneesituation zu gefährlich. Dieses Mal war aber nicht der Gipfel das Ziel, dafür wäre ich sowieso viel zu schlecht akklimatisiert. Ich wollte nur ein paar kleinere Wanderungen in höheren Lagen machen.
Die Besitzerin meiner Unterkunft in Riobamba hieß wieder Miriam - genauso wie die meiner letzten. Und tatsächlich war auch diese Miriam wieder ebenso herzlich und gastfreundlich wie die vorige. Sie lud mich auf Kaffee und Kuchen in ihre Wohnung ein und war auch sonst an Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit fast nicht zu toppen.
Chimborazo - da bin ich wieder
Am Freitag wagte ich es dann in Richtung Chimborazo. Hier habe ich vor acht Jahren viele Höhen und Tiefen (vor allem Tiefen) erlebt bei den misslungenen Besteigungen. Auch dieses Mal schien mir der Berg leider nicht sonderlich gut gesinnt zu sein.
Um 8:30 Uhr stand ich am Busterminal von Riobamba. Busse, die nach Guaranda fahren, machen normalerweise im Chimborazo-Nationalpark halt. Davon gibt es aber nur sehr wenige am Tag. Ich fuhr mit der Buslinie „Flota Bolívar“. Die einstündige Fahrt kostete 2,60 USD. Am Nationalparkeingang musste ich mich erstmal registrieren. Dazu sollte man eine Passkopie dabei haben. Bezahlen muss man nichts. Der Eingang befindet sich auf 4.350 m Seehöhe. Den Chimborazo konnte ich nicht sehen. Es war neblig und kalt. Kurz nachdem ich gestartet bin, begann es leicht zu nieseln. Es dauerte nicht lange bis es dann richtig schüttete. Den Aufstieg bei so einem Wetter fortzusetzen war sinnlos. Ich entschied mit stattdessen querfeldein durch die steinige Landschaft wieder nach unten zu gehen.
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Dieses Nutella-Croissant machte meine Regenwanderung etwas erträglicher :D |
Irgendwann erreichte ich wieder die Hauptstraße, welche ich entlang wanderte. Nach etwa 30 Minuten kam endlich ein Bus. Ich winkte und er hielt zum Glück an. Es ging zurück nach Riobamba, wo das Wetter um einiges besser war. Dort gönnte ich mir als kulinarischen Trost ein spätes Almuerzo (Mittagsmenü) in einem kleinen, typisch ecuadorianischen Restaurant, das für seine Meeresfrüchte bekannt ist. Für 4 USD war das ein richtiges Festmahl: eine Meeresfrüchtesuppe, als Hauptgang Meeresfrüchtereis mit reichlich Oktopus, Shrimps, Muscheln, usw. Dazu ein leckerer, frischer Saft.
Regen, Regen, Regen
Am Samstagmorgen wurde ich schon vom Regen begrüßt, der gegen die Fensterscheibe prasselte. Keine Chance für ein Outdoor-Abenteuer! Plan B war Riobamba ein bisschen zu erkundschaften.
Sonntag - letzte Chance
Der Sonntag war mein letzter voller Tag in Riobamba. Früh am Morgen stand ich bereits auf auf der Dachterrasse um das Wetter zu checken. Ich war überglücklich, als ich den schneebedeckten Chimborazo zwischen den Woken durchschimmern sah. Die Chance musste ich ergreifen.
Eigentlich hatte ich mit Jorge von Couchsurfing die heutige Wanderung am Chimborazo geplant. Doch solche Pläne in Kombination mit der lateinamerikanische (Un-)Pünktlichkeit sind oft zum Scheitern verurteilt. Nachdem er mich bereits zwei Stunden warten lassen hatte, war meine Geduld am Ende. Ich schnappte meinen Rucksack und machte mich alleine auf den Weg zum Busbahnhof. Natürlich war es mittlerweile recht spät. Ich hatte ein Riesenglück noch einen Bus in Richtung Chimborazo-Nationalpark zu finden.
Als ich am Nationalparkeingang ankam, waren dort Massen von Menschen. Wahrscheinlich weil Wochenende und noch dazu Ferienzeit war. Ich beschloss mich an der Registrierung vorbeizuschummeln, da ich wirklich keine Lust hatte hier noch viel Zeit mit Anstehen zu verlieren. In dem Gewusel hat das sowieso niemand bemerkt. Bis zum 1. Refugio auf 4.800 m kann man theoretisch noch mit dem Auto fahren - vorausgesetzt man hat eins. Eigentlich wäre ich viel lieber gewandert, aber aufgrund der fortgeschrittenen Zeit war ich super dankbar als mir eine ecuadorianische Familie eine Mitfahrgelegenheit anbot.
Angekommen beim Refugio Carrel auf 4.800 m Seehöhe traf mich fast der Schlag: Hunderte Menschen. Nichtsdestotrotz startete ich meine Wanderung in Richtung Templo Machay. Es lag frischer Schnee, jedoch waren noch keine Spuren sichtbar. Ich musste mich also auf das GPS meiner Offline-Landkarte verlassen. Kaum zehn Minuten gegangen, schon war ich völlig allein. Es war kein Mensch mehr zu sehen. Faszinierend wie sich die Menschenmassen am Parkplatz drängten und ein paar Schritte weiter sieht man keine Menschenseele mehr. Nur ich, der Schnee und der Wind - genau mein Ding ;)
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Die Route zum Templo Machay war tatsächlich mit 6 Stunden angeschrieben. Ich würde mal behaupten, dass das sehr großzügig berechnet wurde, selbst wenn man im Schneckentempo unterwegs ist. |
Es ging nur sehr langsam voran. Auf knapp 5.000 Metern war die Luft spürbar dünn. Ich schnaufte ordentlich und hatte leichte Kopfschmerzen, was alles normal ist, wenn man auf so einer Höhe nicht gut akklimatisiert ist. Der Weg war ging im Wechsel etwas bergauf und dann wieder bergab. Das Wetter war spektakulär. In einem Moment konnte ich keine zwei Meter weit sehen aufgrund des dichten Nebels, im nächsten Moment zog der Himmel auf und ich sah die schneebedeckten Berge um mich herum.
Als ich nach einer Weile Hunger bekam holte ich mir ein Weckerl aus dem Rucksack. Ich dachte ich könnte es - wie ich es so oft mache - während des Gehens essen. Aber irgendwie klappte das mit Kauen und Atmen gleichzeitig auf dieser Höhe überhaupt nicht. Also gab es eine kleine Pause. Das machte aber nichts, da ich sowieso um einiges schneller als geplant war.
Der Templo Machay
Nach gut eineinhalb Stunden kam ich bereits beim Templo Machay an - also um einiges schneller als angeschrieben. Er befindet sich auf etwa 4.700 m über dem Meeresspiegel an der Südflanke des Whymper-Gipfels. Es handelt sich um eine heilige Höhle aus vulkanischem Material der indigenen Inka und Puruhá, die früher für Zeremonien und Opfergaben genutzt wurde.
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Der Eingang des Templo Machay |
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Im Inneren des Templo Machay |
Leicht übermotiviert wollte ich noch ein paar Höhenmeter machen und beschloss weiter aufzusteigen. Nachdem ich dreimal - völlig grundlos - fast abgerutscht wäre, musste ich aber Vernunft walten lassen und umdrehen. Das waren die ersten Anzeichen, für eine leichte Höhenkrankheit und mit dieser ist nicht zu spaßen - das habe ich bereits am einigen Leib zu spüren bekommen. Den Rückweg nahm ich über eine andere Route.
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Der Rückwegs |
Am späten Nachmittag erreichte ich die Hauptstraße. Ich war bereits über eine Stunde auf der Straße unterwegs, bis endlich ein Bus kam. Ich winkte, doch der Bus rauschte einfach vorbei. Irgendwann kam ein zweiter, welcher auch nicht stoppte. Nun begann es zu regnen. Das war nicht gut. Riobamba lag noch etwa 30 km entfernt. Ich musste es also per Autostopp versuchen. Doch selbst die Autos hielten nicht. Vielleicht wegen der steigenden Kriminalität im Land? Die Sicherheitslage in Ecuador hat sich in den letzten Jahren stark verschlechtert. Mein Optimismus schwand langsam. Der Regen wurde stärker und ich stapfte am Straßenrand entlang. Jedes Mal wenn ich ein Auto hörte, blieb ich stehen und streckte den Daumen raus. Irgendwann hatte ich dann doch noch Glück. Drei einheimische Frauen stoppten und nahmen mich mit nach Riobamba.
Ein süßer Abschied
Das war somit wieder einmal ein Tag mit vielen Höhen und Tiefen - wie so oft beim Reisen. Aber ich würde sagen die Höhen übertrumpfen immer wieder die Tiefen. Zurück in meiner Unterkunft wartete schon Miriam. Sie hatte tatsächlich wieder Kuchen gebacken und übergab mir voller Freude ein großes Stück.
Dann hieß es Rucksack packen, denn morgen früh muss ich zurück nach Quito. Übermorgen geht dann um 10 Uhr vormittags mein Flug nach München. Ich kann es kaum glauben, dass diese 5-monatige Reise so gut wie vorüber ist...
Eure Michi :)